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Wohnen im Alter, Pflege im Alter | 08. November 2024 | Martina Rutschmann

Wohnen im Alter: Gut älter werden in Basel - Die Digitalisierung kommt häufig zu kurz

Franziska Reinhard, Leiterin Geschäftsfeld Betreuung Betagte, steht vor grossen Herausforderungen. Das BSB probt derzeit das Zusammenleben von Jung und Alt. Die grössten Chancen für mehr Flexibilität sieht Reinhard in der Digitalisierung.    

Eine Studie des Gesundheitsobservatoriums Obsan zeigt: Der Bedarf an Pflegeplätzen wächst bis 2040 um über die Hälfte. Wie rüstet sich das BSB dafür? 

Das BSB stützt sich möglichst breit ab, um den Bedürfnissen älterer Menschen gerecht zu werden. So werden wir die bestehenden Pflegezentren, das Wohnen mit Service und die Tagesbetreuung durch weitere Angebote an beispielsweise gemeinschaftlichem Wohnen ergänzen. Im Socin Haus, wo einst das Tropeninstitut beheimatet war, bieten wir bald eine gemischte Wohnform an. Ältere Menschen und Menschen mit Unterstützungsbedarf leben in ihren Zweizimmerwohnungen und können auf Unterstützung jüngerer Bewohner zählen.  

In sämtlichen Studien ist von «Integrativer Betreuung» die Rede. Geht das BSB mit dem Socin Haus in diese Richtung? 

Genau. Die integrierte Versorgung beinhaltet eine hohe Flexibilität. Die Angebote sollen so breit wie möglich genutzt werden können. Jemand soll so lange wie möglich an einem vertrauten Ort leben können. Beim Wohnen mit Service beispielsweise stellen wir die soziale Betreuung mit unseren Serviceleistungen durch unser Team und die medizinische Betreuung durch die betriebsinterne Spitex sicher. Die Menschen sollen dadurch so lange wie möglich in ihren vertrauten Wänden bleiben können. 

Die Vision «Gut und gemeinsam älter werden» des Kantons geht davon aus, dass der «Demografie-Effekt» zu einer Zunahme des Pflegeplatzbedarfs führt. Gleichzeitig würden mit der Verschiebung zu ambulanter Betreuung weniger Personen im Pflegeheim leben. Was bedeutet das für das BSB? 

Gemäss dieser Studie braucht es künftig zwischen 50 und 300 zusätzliche Betten in Pflegezentren. Die Frage ist, wie viele Betten braucht es wirklich? Und was kann die Digitalisierung beitragen, um die Situation zu entschärfen? Die Digitalisierung als Zukunftsvision kommt häufig noch zu kurz. Die Smartwatch beispielsweise ermöglicht den Menschen, länger zu Hause zu leben. Denn mit ihr könnten alleinlebende Menschen mit dem nahliegenden Pflegezentrum verbunden werden. Es ist denkbar, dass das Pflegepersonal reagiert, wenn die Uhr Alarm schlägt. Das würde mehr Durchlässigkeit bringen. Solche Entwicklungen gehen nur langsam voran, auch, weil die Finanzierung nicht geklärt ist. In Pflegezentren werden durch diese Entwicklung künftig nur noch Menschen eintreten, die eine 24-Stunden-Pflege benötigen.

Wie sehen Ihre persönlichen Visionen für ein gutes, gemeinsames älter werden aus? 

Wir tasten unseren Handlungsspielraum ab und versuchen diesen für ein gutes Wohnen im Alter auszuschöpfen. Wichtige Pfeiler sind Vernetzung und Eigenverantwortung. Im Westfeld haben wir das spannende Gemeinschaftswohnen entwickelt. Noch haben wir Kapazitäten. Die würden wir gern nutzen, indem wir weitere Studierende aufnehmen, die ältere Menschen im Alltag unterstützen. In Holland gibt es dahingehend bereits sehr berührende, funktionierende Projekte. Eine ältere Dame konnte ihre Puppensammlung nicht in die Alterseinrichtung mitnehmen. Also hat ein junger Mitbewohner die Puppen digitalisiert und für die Frau ein kleines Buch kreiert, damit sie ihre Puppen doch noch bei sich haben kann. Zu dieser Entwicklung wollen und werden wir einen Beitrag leisten. 

Was sehen Sie als die grösste Herausforderung für das BSB? 

Damit die Babyboomer-Generation bedarfsgerecht begleitet werden kann, braucht es neue Lösungen. Das heisst, wir müssen neu in Richtung «ambulante bis stationäre» Betreuung denken. Wir wissen, dass sich die physischen Probleme hin zu psychischen Problemen verlagern. Darauf gilt es den Fokus zu richten. Zudem wünsche ich mir punkto Auflagen eine grössere Flexibilität von Seiten des Kantons.

Zusammenfassung in einfacher Sprache

Bis im Jahr 2040 braucht es voraussichtlich doppelt so viele Pflegeplätze in Pflegezentren. Das zeigen Studien. Franziska Reinhard, Leiterin Betreuung Betagte beim BSB sagt: Ältere Menschen sollen so lange wie möglich an ihrem vertrauten Ort leben. Andere Menschen, auch junge Menschen unterstützen sie. Der digitale Wandel soll noch mehr helfen.  

Expertenmeinung

Dr. Markus Leser: „Ich bin überzeugt, dass Organisationen im Sozial- und Gesundheitsbereich neue Wege selbst gehen müssen. Innovation entsteht dort, wo engagierte Fachpersonen sich für Verbesserungen für die und mit den ihnen anvertrauten Menschen erreichen möchten. Sie müssen aktiv werden, mutig und neugierig sein.  Sie müssen ferner bereit sein, ein gewisses Risiko einzugehen. Auf diese Weise entstehen zukunftsweisende Wohnformen, die Menschen bis ins hohe Alter eine grösstmögliche Autonomie und Teilhabe ermöglichen.»

Dr. Markus Leser Gerontologe und Experte in Fragen rund um das Alter und Altern. Er war Geschäftsführer des Branchenverbandes CURAVIVA Schweiz und ist heute als Berater tätig.

markusleser.ch

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Portrait Martina Rutschmann

Martina Rutschmann

Autorin, Journalistin BR, Moderatorin, Coach, Inhaberin Schrift & Wort GmbH

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