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Wohnen und IV | 06. Mai 2024 | Beatrice Koch

Wohnen & IV: Jeder Tag ist eine Wundertüte

Seit zwanzig Jahren arbeitet Klaus Itta als Sozialpädagoge beim BSB (Bürgerspital Basel), seit sieben Jahren in der ambulanten Wohnbegleitung. Dass er bei dieser Tätigkeit tiefen Einblick in das Leben seiner Klientinnen und Klienten nehmen darf, empfindet er als Privileg. 

Auf die Frage, was ihm an seiner Arbeit besonders gefällt, muss Klaus Itta nicht lange überlegen: «Es wird nie langweilig. Jeder Tag ist eine Wundertüte, man weiss nie, was einen erwartet.» Klaus Itta arbeitet seit sieben Jahren in der ambulanten Wohnbegleitung des BSB, wobei er diese Bezeichnung eigentlich irreführend findet. «Wohnbegleitung im engeren Sinn findet zwar statt, spielt aber nur eine untergeordnete Rolle. Wir machen viel mehr als das. Vor allem geht es um eine niederschwellige psychosoziale Begleitung im Alltag.» 

Existenzielles und Alltag 

In der ambulanten Wohnbegleitung kümmert sich ein zwölfköpfiges Team von Sozialpädagoginnen, Sozialarbeitern und Fachpersonen Betreuung um aktuell etwa 60 Klientinnen und Klienten. Diese sind kognitiv beeinträchtigt oder leiden an einer psychischen Erkrankung, leben in der eigenen Wohnung und führen ihren Haushalt weitgehend selbstständig. Klaus Itta und seine Kolleginnen und Kollegen sind oft die ersten Bezugspersonen bei existenziellen Fragen wie dem Umgang mit dem bevorstehenden Tod, mit Lebensmüdigkeit und Depression. Sie kümmern sich aber auch um Alltagsprobleme wie den Kontakt zu Ärzten, Behörden und Angehörigen oder organisieren bei Bedarf auch mal einen Handwerker. «In erster Linie geht es darum, einen wertfreien Raum zu schaffen, in dem jeder mit dem da sein darf, was ist», erklärt der 53-Jährige seine Tätigkeit. «Dabei werden wir mit allem Menschlichen, mit dem Leben an sich, konfrontiert. Für mich ist das angewandte Philosophie.» 

Werkzeugmacher und Philosoph 

Tatsächlich hat Klaus Itta in Freiburg im Breisgau und Wien Philosophie studiert, dazu Psychologie und Soziale Arbeit. In der ambulanten Wohnbegleitung könne er diese Interessen sowohl theoretisch als auch praktisch anwenden. Als junger Mann hatte er aber zunächst eine Lehre als Werkzeugmacher absolviert: Im Schwarzwald aufgewachsen, habe er sich als Jugendlicher etwas anderes als einen handwerklichen Beruf gar nicht vorstellen können. Erst im Zivildienst sei er mit Sozialer Arbeit in Berührung gekommen. «Da wusste ich: Das möchte ich auch machen.» 

Es wird nie langweilig. Jeder Tag ist eine Wundertüte, man weiss nie, was einen erwartet.
Klaus Itta, Sozialpädagoge

In die Stadt holen 

Zum BSB kam er 2003 auf Empfehlung eines Studienkollegen. Er begann in der stationären Langzeitbetreuung und beruflichen Integration, zunächst in einem Haus an der Flughafenstrasse, später im Gundeldingerquartier. «Es war eine Zeit des Umbruchs», erinnert sich Klaus Itta. Hatte man früher die Menschen mit Behinderung von der Bevölkerung eher abgesondert, holte man sie nun in die Stadt, um ihnen ein Leben unter möglichst normalen Umständen zu ermöglichen. Dieser Gedanke steht auch in der ambulanten Wohnbegleitung im Vordergrund: «Sie hat zwei grosse Vorteile», sagt Itta: «Sie führt zu grösserer Selbstständigkeit der Menschen, und sie ist günstiger.»  

Auf allen Ebenen gefordert 

Klaus Itta empfindet seine Arbeit beim BSB als Privileg: «Wir haben es häufig mit originellen Menschen zu tun, mit zum Teil aber auch herzzerreissend tragischen Lebensgeschichten. Als Fachleute müssen wir auf komplexe Situationen flexibel reagieren. Das gefällt mir, weil es mich auf allen Ebenen fordert.» Um flexibel zu bleiben, arbeitet in der ambulanten Wohnbegleitung meist niemand mehr als 80 Prozent. Zudem verteilt man im Team die Last auf mehreren Schultern. Die Schicksale seien manchmal schwer zu ertragen, räumt Itta ein, vor allem, wenn man das Potenzial in den Menschen erkennt, die von der Krankheit geprägt sind. 

Stabile Beziehung 

Klaus Itta beobachtet eine deutliche Zunahme von Klientel mit psychischen Erkrankungen: «Unsere Arbeit und unsere Angebote werden immer weitreichender. Wir machen Case-Management, Jobcoaching, Sterbebegleitung, Familienbegleitung und psychiatrische Rehabilitation, um zu vermeiden, dass Klientinnen und Klienten gleich wieder in die Psychiatrie müssen.» Ein grosses Problem sei die Vereinsamung: Aufgrund ihrer Erkrankung begegnen die Menschen ihrem Umfeld oft mit Misstrauen, sind schnell gekränkt und sozial unbeholfen. «Unsere zentrale Aufgabe ist es, die Beziehung zu den Klienten so wohlwollend und stabil wie möglich zu gestalten.» Auch hier hilft die Arbeit im Team, um in Krisenzeiten tragfähig zu bleiben. 

Buchautor 

Als Ausgleich zur fordernden Arbeit treibt Klaus Itta viel Sport, spielt gerne Schach und meditiert. Und er schreibt Bücher: Sein Erstling, ein philosophischer Roman, erschien vor einigen Jahren, sein zweites Werk, ein Kunstmärchen für Kinder und Jugendliche, ist soeben fertig geworden. Grosse Schriftstellerambitionen hegt Klaus Itta jedoch nicht: «Ich habe einfach Freude daran, mache mir aber keinen Druck. Wenn ich eine Idee habe, fange ich an zu schreiben. Wenn nicht, ist auch gut.» 

Portrait Beatrice Koch

Beatrice Koch

Freie Journalistin und Texterin im Pressebüro Kohlenberg in Basel

Béatrice Koch schreibt mit Vorliebe über gesellschaftliche, soziale und kulturelle Themen sowie Porträts, u. a. für das BSB-Magazin Horizont.

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